8. Stiefkind-Adoption vor Gericht

Eine Sache von 20 Minuten. Wenn Sie typische Gerichtsfilme kennen, werden Sie enttäuscht sein.

Der Besuch des Jugendamts war in der ersten November-Woche.

Dann hörten wir in Sachen Adoption nichts mehr bis ersten Woche im Januar 2010. Da erreichte uns ein zwischen den Feiertagen verfasster Brief, dass wir Mitte Januar im Amtsgericht .., Abteilung für Betreuungssachen, zur Anhörung durch .. erscheinen sollten. Mit „wir“ sind der Adoptierende und die Noch-Stieftochter gemeint. Die Mutter wurde seltsamerweise nicht erwähnt, aber wir wollten sie natürlich auf alle Fälle mitnehmen. Schließlich sind wir eine Familie.

Wir sind also zu dritt hingefahren, unser Sohn war in der Zeit wie jeden Werktag im Kindergarten. Für die Tochter haben wir ganz förmlich für einen Tag die Freistellung vom Unterricht beantragt, die natürlich problemlos bewilligt wurde.

Wir sollten uns um 10.40 Uhr einfinden und sind erwartungsgemäß natürlich viel zu früh angekommen. An der Tür des im Anschreiben genannten Raums klebt ein Zettel mit den heutigen Terminen: „Nicht klopfen. Warten bis Sie aufgerufen werden. 9.00 Uhr Familie A, 9.20 Uhr Familie B, 9.40 Uhr Familie C…“. Mit minimaler Verspätung werden wir aufgerufen, und ja, natürlich dürfe die Mutter mit reinkommen.

Uns erwartete kein Gerichtssaal, sondern ein ganz normales, wenn auch überdurchschnittlich großes Büro. Ein riesiger Schreibtisch, dahinter ein etwa fünfzigjähriger Richter mit Sakko und Rollkragenpulli. Kein Protokollführer, kein Gerichtssaal, keine Geschworenen, nichts. (Wenn Sie sich jetzt fragen, ob wir zu viele amerikanische Gerichtsserien und -filme anschauen: Ja, das könnte durchaus sein.) Wir dürfen Platz nehmen.

Mama, Papa und Tochter sitzen gespannt vor dem großen Schreibtisch und warten auf das Kreuzverhör. Aber in 20 Minuten sind schon die nächsten dran, also kann’s ja nicht so schlimm werden.

Die vor dem Richter liegende Akte enthält ein offiziell aussehendes Schreiben, das muss das Fazit vom Jugendamt sein. Er hat also den Bericht der beiden Damen vom Jugendamt erhalten, und er hat ihn sogar gelesen, denn er stellt noch eine Frage zu unserem Verhältnis zum leiblichen Vater.

Die einzige Frage an unsere Tochter lautet „hat dich dein Papa genauso lieb wie deinen Bruder?“, sie bejaht natürlich. Nach ein bisschen „Smalltalk“ über unsere Familie ist der Termin schon wieder zu Ende. „Rechtskräftig wird die Adoption mit der Zustellung des Beschlusses“ meint er noch und dann dürfen wir wieder gehen. Gestoppte 13 Minuten dauert der Termin, und ich habe für 2 Stunden in die Parkuhr geworfen…

Am 19. Februar 2010 läutet der Briefträger mit einer „Förmlichen Zustellung“, der amtlichen Form eines Einschreibens.

Das Amtsgericht .. erlässt durch den Richter am Amtsgericht .. am (Tag unseres Termins beim Richter!) folgenden Beschluss: Auf Antrag des Annehmenden vom xx.xx.2009 wird die Annahme der deutschen Staatsangehörigen .. als Kind des deutschen Staatsangehörigen .. ausgesprochen. Die Eheschließung des Annehmenden mit der Mutter der Angenommenen erfolge am .. in ..
Die Angenommene führt weiterhin den Geburtsnamen .. (Seit der Einbenennung (siehe auch #3) hieß sie bereits wie ich, ihre Mama und ihr Bruder. Dieser Name war auch in den Urkunden, die in #7 aufgezählt sind, als ihr Geburtsname eingetragen. Rein rechtlich hat sich mit der Adoption ihr „aktueller“ Geburtsname nicht geändert, aber früher hatte sie einen anderen.)
Die Annahme als Kind gründet sich auf §§ 1741 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 3, 1752, 1754 Abs. 1, 1755 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BGB.
Gez.
..
Richter am Amtsgericht

So. Das war’s.
Nun bin ich zweifacher Vater. Obwohl… Zusammen mit meiner Frau habe ich ja immer schon die Verantwortung für meine Tochter getragen. Und die Leute sagen sowieso immer, dass unsere Tochter so aussieht wie ich und unser Sohn so wie die Mama.
Gedauert hat die Stiefkind-Adoption von November 2008 bis Februar 2010. Gerichtskosten sind keine angefallen, auch das Jugendamt hat kostenlos gearbeitet.

Künftig werden diese Seiten nur noch aktualisiert, wenn mir ein interessantes Gerichtsurteil, eine interessante Frage samt Antwort oder andere wissenswerte Infos zum Thema unter die Finger kommen.

Nachtrag vom April 2010:

Mit Absendedatum vom 31.3.2010 erhielten wir noch ein Schreiben vom Gericht: „… das Adoptionsverfahren ist beendet. Beigefügt erhalten Sie rechtswirksame Beschlussausfertigungen zu Ihrer Verfügung. Das Standesamt ihrer Geburt [Anm.: …der Geburt meiner Tochter dürfte gemeint sein…] (soweit sie in Deutschland beurkundet wurde) wird von der erfolgreichen Adoption verständigt.“ Enthalten sind vier vom Gericht beglaubigte Ausfertigungen der Adoptionsurkunde fürs Einwohnermeldeamt, für die Bank, die Schule etc.

Wobei ich hoffe, dass die meisten Stellen sich damit zufrieden geben, dass ich ihnen eine der Durchschriften zeige und sie eine Kopie anfertigen können. Ich gebe so ungerne Dokumente her, sogar wenn es nur beglaubigte Kopien sind.

Nachtrag vom Juli 2010:

Der leibliche Vater meldet sich über seinen Anwalt und fragt nach, was denn jetzt los sei. Er habe Ende 2008 seine Einwilligung gegeben und bis jetzt nichts mehr gehört… Das Betreuungsgericht hat ihn also nicht verständigt oder ihm auf irgendeine andere Art und Weise mitgeteilt, dass er jetzt nicht mehr für das Kind „zuständig wäre“. Wir senden dem Anwalt deswegen eine Kopie des Adoptionsbeschlusses. Bis heute haben wir vom leiblichen Vater nichts mehr gehört.

Nachtrag vom Oktober 2015:

Bis heute sind keine Rechnungen vom Gericht oder vom Jugendamt angekommen. Wie wir mittlerweile auch aus anderen Quellen wissen, entstehen bei Stiefkindadoptionen von Anzunehmenden unter 18 weder Gerichtskosten noch sind irgendwelche Gebühren ans Jugendamt fällig.